Denkmalschutz gilt manchmal auch für alte Bäume. Foto: A. Englbrecht
Denkmalschutz gilt manchmal auch für alte Bäume. Foto: A. Englbrecht

Mein Freund der Baum

Jürgen Belz

Bäume sind nicht nur im Verbund als Wald ein wichtiger Lebensraum. Einzelne Exemplare auf Gemeindegrund, in Gärten oder an Straßen prägen ein Ortsbild entscheidend. Gleichzeitig sind sie im Siedlungsraum wichtig für das lokale Klima, dienen der Erholung des Menschen und sind auch als Einzelkämpfer kleine Ökosysteme für vielfältige Arten. Doch den Bäumen in unseren Städten und Gemeinden setzt der Klimawandel zu und manchmal müssen sie aus Sicherheitsgründen weichen.

Bis aus einem Setzling ein stattlicher Baum gewachsen ist, dauert es Jahrzehnte. Kein Wunder, denn jeder Baum ist für sich ein kleines Ökosystem mit vielen Facetten und unterschiedlichen Stockwerken. Er unterteilt sich in drei „Klimazonen“: der kühl-feuchte Wurzelraum, der Stammbereich und die

trocken-warme Krone. Ein Baum ist ein Lebensraum, der von verschiedensten Organismen und Lebewesen besiedelt ist. Selbst als Totholz bleibt er ein Biotop, an das zahlreiche Arten angepasst sind.

Spielplatz der Artenvielfalt

Die Artengruppen, die einen Baum als Brut-, Quartier und Nahrungsraum nutzen, reichen von Säugetieren wie Baummarder, Fledermaus oder Siebenschläfer über unzählige Vögel bis hin zu Amphibien und Reptilien sowie natürlich Insekten. Vögel nutzen fast alle Bereiche eines Baums für die Aufzucht ihrer Jungen: Höhlenbrüter wie die Hohltaube oder Käuze sind beispielsweise Nachfolgebrüter in Schwarzspechthöhlen im Baumstamm. In den Baumhöhlen machen es sich auch einige Fledermausarten gemütlich, z.B. der Große Abendsegler, die Mopsfledermaus und das Braune Langohr. Greifvögel nisten vor allem in der Baumkrone, wohingegen Freibrüter wie Kernbeißer, Saatkrähen, Amseln oder Elstern ihre Nester auf geeigneten Zweigen bauen. Amphibien und Reptilien sind häufig an toten, liegenden Bäumen zu finden, die sie zum Überwintern oder – wie z.B. der Bergmolch

– als Landlebensraum nach der Laichzeit im Sommer nutzen.

Bergmolche bewohnen in den warmen Sommermonate gerne Totholz. Foto: J. Belz


Die sicherlich größte Artengruppe am und im Baum sind die Insekten. Dazu gehören zahlreiche Käferarten, die meist auf bestimmte Baumarten wie Weide und Eiche oder auf Totholz angewiesen sind. Bienen und Wespen profitieren von pollen- und nektarreichen Blüten, z.B. von Obstbäumen, Hornissen nutzen Baumhöhlen als Nistplatz. Aber auch zahlreiche Pflanzen finden sich im Lebensraum Baum: Moose, Kletterpflanzen, Misteln, Farne

und auch Pilzarten. Sehr wichtig ist dabei die Mykorrhiza: Pilze im Wurzelbereich, die dem Baum eine erhöhte Nährstoffaufnahme ermöglichen.

Wertvolle Oasen

Geht es um die Frage „Wann ist ein Baum erhaltenswert?“, ist im Siedlungsraum sicher jeder Baum wertvoll als Sauerstoffproduzent, kleine Oase der Lebensqualität für Mensch und Tier oder im Verbund mit mehreren Bäumen für ein besseres Kleinklima. Ökologisch gesehen haben bestimmte Baumarten einen außergewöhnlichen Mehrwert, dazu gehören Wildobstarten, die klimaresistente Elsbeere, Speierling, Ulmen- und Weidenarten, Feldahorn und die Eiche. Hinzu kommen alte Bäume,

die besondere Nischen wie Mulmhöhlen bieten. Diese finden sich nur in Stämmen sehr alter Bäume und enthalten eine außerordentlich große Fülle an Lebewesen, wie z.B. den stark gefährdeten Eremit, eine Rosenkäferart. Eher kurzlebige Baumarten wie Wildobst, Birke oder Weidenarten bieten manchmal bereits in jüngeren Jahren wertvolle Baumstrukturen, z.B. Spalten, Höhlen oder Faulstellen. Bei sehr langlebigen Arten, wie Eichen, Linden und Buchen, nehmen diese Kleinlebensräume tendenziell mit steigendem Alter zu.

Wer in seinem Garten eine Ecke mit totem Holz einrichtet, 

unterstützt die Artenvielfalt. Foto: J. Belz


Sicherheit geht vor

Durch die Klimaerwärmung ist es wichtig, in Stadt und Wald eine breite Palette an verschiedenen Baumarten zu bewahren. Viele Bäume leiden allerdings unter den längeren Trockenphasen und sind dadurch anfälliger für Schädlinge. Die größte Bedrohung geht einerseits von pilzlichen Krankheitserregern wie beispielsweise Phytophthora bei der Erle oder die Rußrindenkrankheit beim Ahorn sowie andererseits von Insekten wie Borkenkäfern oder an Eichen fressenden Insekten wie dem Eichenprozessionsspinner aus. Es ist sehr schwer für heimische Bäume, sich auf eingeschleppte Erreger einzustellen, da sie nur langsam evolutiv reagieren können. Ein Beispiel hierfür ist das Eschentriebsterben. Der dafür verantwortliche Pilz kommt ursprünglich aus Asien und hat inzwischen auch hier fast alle Eschen befallen. Eine betroffene Esche kann im Siedlungsbereich oder im Erholungsraum Wald zum „Problembaum“ werden, der in Verbindung mit Wurzelfäule ohne Vorwarnung umstürzen könnte. Ein solch unsicherer Baum, vor allem an Hauptverkehrswegen oder anderen stark frequentierten Bereichen, muss gefällt werden. Damit Bäume nicht aus Vorsichtsmaßnahme unnötig gefällt und solche Gefahren trotzdem erkannt werden, braucht es geschultes Personal wie Baumgutachter.


Zukunft pflanzen

Die Bäume in unseren Dörfern und Städten stehen vor mehr Herausforderungen als ihre Verwandten im Wald (siehe Kasten Stadtbaum). Doch sie leisten einen entscheidenden Beitrag für ein angenehmes Kleinklima in Siedlungen und sind in ihrer Einzelstellung umso erhaltenswertere Lebens- und Erholungsräume. Gerade auf

öffentlichem Boden sollten Bäume daher nicht ohne Grund gefällt werden – im Gegenteil. Angesichts steigender Temperaturen und großer versiegelter Flächen sind Städte, Gemeinden ebenso wie private Gartenbesitzer gut beraten, an geeigneten Standorten zusätzliche Bäume

zu pflanzen. Mit beispielsweise heimischen Lindenarten, Feldahorn, Walnuss (für Grünanlagen) oder Wildobstgehölzen haben sie eine abwechslungsreiche Auswahl an Baumarten, die im Allgemeinen mit dem Stadtklima und einer Einzelstellung gut zurechtkommen und wertvolle

Lebensräume bieten können.

Mulmhöhlen in alten Bäumen beherbergen viele, oft seltene Arten wie den Eremit.

Foto: J. Belz


Jürgen Belz

 

hat in Weihenstephan Forstwirtschaft studiert. Seit 2007 arbeitet er bei der Bayerischen Forstverwaltung, seit 2017 mit den Themenschwerpunkten Waldnaturschutz und Natura 2000 im Bereich Forsten des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Fürstenfeldbruck.


BAUMSCHUTZVERORDNUNG

Ira Zahorsky

 

Grundsätzlich sind alle Bäume, in denen besondere Arten vorkommen, durch das Naturschutzgesetz geschützt. Eine zusätzliche  Baumschutzverordnung soll das Fällen und den Rückschnitt von Bäumen auf Privatgrundstücken regeln und damit gesunde Bäume, auch als Fortpflanzungs- und Ruhestätte, bewahren. Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es in den Gemeinden Eichenau, Emmering, Gröbenzell und Maisach (mit Ortsteil Gernlinden) eine entsprechende Verordnung.

 

„Dass trotzdem viele gesunde Bäume gefällt werden, liegt in Gernlinden an der Bautätigkeit allgemein, aber hauptsächlich an der Nachverdichtung“, sagt Heike Demant, Umweltreferentin im Gemeinderat MaisachDurch die hohen Bodenpreise werden bereits bebaute Grundstücke meist bis zur Grenze des Möglichen ausgenutzt. Andererseits ist die Nachverdichtung eher gewünscht, als weitere Flächen am Ortsrand zuzubauen.

 

Ist eine Baumschutzverordnung vorhanden, ist das Fällen eines gesunden Baums ohne Grund verboten. Wird der Baum dennoch gefällt, muss eine Nachpflanzung erfolgen. Bis dahin muss eine „angemessene“ finanzielle  Sicherheitsleistung (BSV Gemeinde Maisach § 3 (1), 600 Euro) hinterlegt werden. Bestätigt man durch den Kaufbeleg und ein Foto des neu gepflanzten Baums die Nachpflanzung, erhält man die Sicherheitsleistung zurück.

 

Nimmt eine Gemeinde im Sinne ihrer BaumschutzVO eine Vorbildfunktion ein, fördert dies das Bewusstsein der Bevölkerung und den Willen, Bäume so gut wie eben möglich zu schützen.


Japanische Kirsche St. Josef. Foto: M. Rothbucher
Japanische Kirsche St. Josef. Foto: M. Rothbucher

Zu Ehren des Baumes

Verena Wendl

Seit 2019 ehrt die Ortsgruppe Puchheim des Bund Naturschutz (BN) große, schützenswerte Bäume im Ort und zeichnet ihre Besitzer*innen für deren Erhalt aus. Mitte Mai erhielt die Pfarrei der St. Josef Kirche in Puchheim diese Auszeichnung für die Zierkirsche im Pfarrhof. Die Urkunde nahm Dieter Rubenbauer entgegen, der als Verwaltungsleiter in den beiden Puchheimer Kirchenstiftungen tätig ist.

 

Er hat uns erzählt, was der Baum für ihn bedeutet: „Die japanische Zierkirsche prägt den Pfarrhof – zwischen der schweren Betonarchitektur der Pfarrkirche und des Pfarrheims setzt sie einen optischen Gegenpol, der beruhigt und mitten im Stadtzentrum zum Verweilen einlädt. Auch wenn es keine einheimische Baumart ist, so fügt sie sich wunderbar in das Gesamtbild ein. Kinder nutzen den Baum zum Klettern, im Sommer spendet er kühlenden Schatten und im Frühjahr ist seine Blütenpracht unübertroffen.“ Wer einen Lieblingsbaum hat, auch im eigenen Garten, kann ihn an puchheim@bund-naturschutz.de für eine Ehrung vorschlagen.


STADTBÄUME

Sarah Böttcher

 

Feldahorn, Hainbuche und Co. schmücken die Straßen zahlreicher deutscher Städte, produzieren Sauerstoff und mildern die Klimaerwärmung im Kleinen ab. Kurzum: Stadtbäume tragen zum psychischen und physischen Wohlbefinden der Bevölkerung bei.

 

Dennoch sind sie tagtäglich enormen Widrigkeiten ausgesetzt. Anette Vedder, Leiterin des Amts für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen bei der Stadt Augsburg, vergleicht Stadtbäume gerne mit Extremsportlern. So muss der Stadtbaum sowohl extreme Trockenperioden im Sommer wie Kälteperioden im Winter vertragen. Außerdem hat er einen äußerst beengten Wurzelstandraum und muss Schnitt- und Wurzeleingriffe aushalten. Darüber hinaus belasten Abgase und Feinstäube die Bäume. Aber auch Eingriffe in den Standraum, beispielsweise das Aufgraben für Leitungen, Straßenumbauten, parkende Fahrzeuge, Hunde-Urin oder Wintersalz, machen Stadtbäumen das Leben schwer. Für einen gesunden Wuchs benötigt ein Baum zudem eigentlich mehr Platz – der allerdings auf Kosten anderer Nutzungen wie z.B. Parkraum entstehen müsste.

 

Durch den Wunsch der Bevölkerung nach städtischem Grün sowie das steigende Bewusstsein für den Klimaschutz, schloss sich die Stadt Augsburg 2011 dem Projekt „Stadtgrün 2021“ an. Das Klimawandel-Projekt sichtet und erprobt Baumarten aus dem (süd-)osteuropäischen, aber auch nordamerikanischen und asiatischen Raum. Das Ziel: Festzustellen, ob diese hier nur selten gepflanzten Baumarten den biotischen Einflüssen sowie den Klimabedingungen deutscher Städte mit immer wärmeren und trockeneren Sommern trotzen können. 

Doch nicht nur die Menschen profitieren von Stadtbäumen, große Exemplare bieten zahlreichen Tierarten Lebensraum und Nahrung. Um diese Artenvielfalt zu erhalten, braucht es weiterführende Maßnahmen. Die Politik muss Vedder zufolge mehr Verständnis dafür zeigen, wie „wahnsinnig mühselig und schwer es ist, unsere Städte  wieder grüner zu machen.“ Ein erster Schritt auf bundesweiter Ebene wäre es, das technische Regelwerk für Spartenträger mit dem für den Baumschutz abzustimmen. Denn aktuell passen die DIN-Normen und auch andere Regelwerke der einzelnen technischen Richtungen (Straßenbau, Baumschutz, Infrastruktur) nicht zusammen und führen somit auf kommunaler Ebene oft zu Problemen. Auf Seiten der Stadtbewohner wünscht sich Vedder eine bessere Akzeptanz von straßenrechtlichen  Anordnungen bei Baumpflegemaßnahmen und mehr  Wertschätzung dem Baumleben gegenüber. Denn normalerweise haben Bäume eine sehr hohe Lebenserwartung von mehreren hundert Jahren. Eine Linde beispielsweise wird meist zwischen 300 und 500 Jahren alt – doch nicht in der Stadt. „Durch die besonderen Herausforderungen in einer Straße wird sie mit 70 Jahren wohl kaum noch gesund sein“, betont Vedder. Stadtbäume  möglichst lang zu erhalten, ist nicht zuletzt auch ein Kostenfaktor: „Jeder einzelne Baumstandort, der verloren geht, kostet in der Neuherstellung ein Vielfaches. Das geht in die Zehntausende“, gibt Vedder zu bedenken.

Rosskastanie in Augsburg. Foto: Dr. E. Pfeuffer, LBV Bildarchiv

 


BIODIVERSITÄT CONTRA BAUMERHALT

Petra Gunkel

 

Bäume sind wichtig für unsere Natur. Aber manchmal müssen Bäume für den Naturschutz weichen, beispielsweise auf unseren Biotoppflegeflächen im Niedermoorgebiet Fußbergmoos nordöstlich von Maisach. Irrtümlicherweise zum Ärger mancher Spaziergänger*innen, Jogger*innen und Naturfreund*innen, die sich über Baumfällungen oder „das auf Stock setzen“ von Gehölzen (extremer Rückschnitt) wundern. Dabei handelt es  sich auf diesen Flächen tatsächlich um eine wichtige Artenschutzmaßnahme.  

 

„Revitalisierung ehemals extensiv bewirtschafteter, artenreicher Moorflächen“ – so beschreibt Gerald Fuchs, Biotoppfleger unserer LBV-Kreisgruppe, die Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt von Flora und Fauna seit den 80er-Jahren. Trotz Entwässerung und Torfstich waren durch die jahrzehntelange extensive Bewirtschaftung Flächen entstanden, die Sumpf-Gladiole, Sumpf-Ständelwurz, Hellem Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Baumpieper eine sichere Heimat geboten hatten. Seitdem diese Bewirtschaftung eingestellt wurde und die Entwässerung anhält, breiten sich Birke, Pappel und Faulbaum rasant aus und verursachen durch die Verwaldung einen erheblichen Artenschwund. Nur wenn sie an manchen Stellen weichen, hat Biodiversität hier eine Chance.

 

Weiterlesen: Flächenpflege gegen den Artenschwund