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Das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ hat der Bevölkerung die Not der Insekten und ihren dramatischen Rückgang ins Bewusstsein gerufen. Die Honigbiene wurde zum Symbolbild. Tatsächlich sind aber vor allem ihre wilden Verwandten, die Wildbienen, gefährdet. Rita Verma hat mit dem Botaniker Dr. Andreas Fleischmann über die kleinen, so wichtigen Bestäuber gesprochen.
Bei vielen heimischen Pflanzen ist oft nicht bekannt, wer sie bestäubt – obwohl das vor unserer eigenen Haustüre passiert. Das hat mich fasziniert. Beim Klappertopf zum Beispiel war damals noch nicht bekannt, weshalb er an der Blüte Zähne hat. Dann hat man beobachtet, dass sich die verschiedenen Hummel-Arten, die ihn besuchen, auf unterschiedliche Weise den Blüten nähern. Die Zähne an der Klappertopfblüte fungieren als Streukegel, sodass der Pollen in jedem Fall immer auf der Hummel landet. Wer sich für Bestäubungsbiologie interessiert, muss erkennen können, wer die Blüten besucht. So habe ich mich vor zwanzig Jahren in die Wildbienen-Arten eingearbeitet.
Als Allererstes: Glockenblumen. Diese sind bei zahlreichen Wildbienen-Arten sehr beliebt, bei den Männchen auch als Schlafplatz. Bei Regenwetter oder früh am Morgen kann man die kleinen schwarzen Tierchen gut entdecken. Bei Glockenblumen können es auch nicht-heimische Arten aus dem Gartencenter sein, solange sie nicht gefüllt sind. Dazu Lippenblütler wie Ziest, Herzgespann, Minze, Lavendel, Thymian – letztlich alle Kräuter, denn Wildbienen fliegen diese gerne zur Nahrungsaufnahme an. Möchte man Hummeln oder Blattschneiderbienen anlocken, sind Schmetterlingsblütler wichtig, z.B. Garten-Platterbse, Hornklee (übrigens auch für viele Schmetterlingsarten eine tolle Pflanze) und weitere Kleearten. Im Hochsommer sind Korbblütler wie Rainfarn und Mutterkraut allgemein gefragt.
Meist kann die Wildbiene ihr „Flugbenzin“, den Nektar, und den Pollen für die Larven an derselben Pflanze sammeln. Viele Arten sind da nicht wählerisch. Auf der Beliebtheitsskala der Wildbienen ganz oben sind Löwenzahn, Wegwarte, Bitterkraut und Natternkopf. Allerdings gibt es auch Spezialisten, die an bestimmte Pflanzenarten gebunden sind. Etwa die Zaunrüben-Sandbiene, die nur an die Zaunrübe geht. Es gibt auch Arten, die für Pollen und Nektar unterschiedliche Pflanzen benötigen. Das sind bei uns in Süddeutschland aber nur die Schenkelbienen, die auf Gilbweideriche spezialisiert sind. Diese produzieren Öl statt Nektar, das die Biene zusammen mit dem Pollen sammelt und für die Larve einträgt. So braucht sie für ihren eigenen Bedarf weitere Pflanzenarten, unter anderem Storchschnabel.
Nur wenige Sekunden brauchen Blattschneiderbienen für ein neues Stück Nistmaterial. Je nach Art dienen Laubbäume, Sträucher wie Heckenrosen oder Schlehe, aber auch Blumen oder Birkenrinde als Quelle.
Bienen lieben warme, trockenen Gebiete, daher nur zehn bis 15 Arten. Dafür eher Spezialisten, z.B. die Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea), die mit dem Öl des Gemeinen Gilbweiderichs ihr Nest wasserdicht austapeziert. Dort, wo Schilf nicht im Wasser, sondern ein bisschen trockener steht, könnte die kleine Maskenbiene (Hylaeus pectoralis) vorkommen. Sie nutzt die verlassenen Gallen der Schilfgallenfliege (Lipara lucens) als Nachmieter.
Meine Doktorandin Michaela Hofmann hat für den LBV München Flächen mit neu angelegten Blühstreifen kartiert. Bereits nach ein, zwei Jahren waren dort etwa ein Viertel aller in München nachweisbaren Wildbienen zu finden. Im städtischen Raum sind das zwar „Allerwelts-Arten“, aber mit entsprechenden Niststrukturen, Nisthilfen und den richtigen heimischen Pflanzen kann man sie auch im Garten auf kleinstem Raum recht gut fördern. Ein Wollziest im Garten lockt beispielsweise die Große Wollbiene (Anthidium manicatum) an. Im Brucker Raum gibt es einige recht artenreiche Flächen, da sollten sich viele Arten anlocken lassen. Wichtig ist, dass zu jeder Zeit irgendetwas blüht. In meinem Garten geht es im Februar mit der Schneeheide los und endet im Oktober mit dem Efeu.
Gegen das Artensterben brauchen wir aber andere Maßnahmen. Uns fehlen Wiesenbrüter und Offenlandarten. Die können wir mit dem Garten oder einem blühenden Acker nicht retten. Wir müssen wieder weg von den Intensivwiesen, die mehrmals im Jahr auf Silage gemäht werden. Wir brauchen Blühwiesen, die nur ein- oder zweimal im Jahr gemäht werden – und zwar auf wesentlich mehr Fläche als wir momentan haben. Hier muss die Politik Anreize für Landwirte schaffen, damit sich das Anlegen von Blumenwiesen wieder rentiert. Zusätzlich müssen wir diese Flächen verbinden. Das sieht man hier im Münchner Westen, wo noch Reste des ehemaligen Haide-Gürtels sind. Die Bienen folgen den Schienen und Straßen in die Innenstadt hinein. Wir müssen also Trittsteine schaffen und das kann auch jeder Privatgarten sein.
Schenkelbienen
Die Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea) ist an den Gemeinen Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und dadurch an feuchte Gebiete gebunden. Die Wald-Schenkelbiene (Macropis fulvipes) bevorzugt Waldränder und -lichtungen. In Süddeutschland ist das Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) ihre Pflanze der Wahl. Ursprünglich war sie die seltenere der beiden Bienen-Arten. Da sie jedoch den für Gärten beliebten Gold-Weiderich (Lysimachia punctata) nicht verschmäht, findet man sie inzwischen häufig im Siedlungsbereich. Die Mikrostruktur der Beinhärchen, mit deren Hilfe Schenkelbienen Blütenöl zusammenkehren und transportieren, diente als Inspiration für ein Bionik-Patent: Lappen, die Öllachen verlustfrei aufnehmen, sich jedoch auch wieder ausschütteln lassen.
Garten-Blattschneiderbiene
Blattschneiderbienen kleiden ihre Brutröhre mit mehreren Schichten runder Blattstücke aus. Auch die Brutzellen werden durch grüne Wände voneinander getrennt. Mithilfe kleiner Zähne im Oberkiefer schneiden die Bienen das Nistmaterial aus den Blättern heraus. Manche Arten verwenden Harz, um die Einzelteile zu verkleben. Die bei uns häufige Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) nistet in morschem Holz, hat aber auch die verdichtete Erde in Balkonkästen und Blumentöpfen für sich entdeckt.
Große Wollbiene
Die Große Wollbiene (Anthidium manicatum) wirkt auf den ersten Blick wie eine plattgedrückte Wespe. Die Männchen sind sehr territorial und verjagen andere Blütenbesucher oder Konkurrenten vehement aus ihrem Revier. Durch die charakteristischen Hinterleibsdornen werden die Flügel der Attackierten dabei bisweilen stark verletzt. Gute Chancen, Männchen zu beobachten, hat man an Ziest-Arten, Muskateller-Salbei und Fingerhut. Die Weibchen nisten in Hohlräumen aller Art und legen ihre Brutzellen in einen Bausch aus Pflanzenhaaren. Diese raspeln sie unter anderem von Königskerzen, Ziesten und Quitten ab.
Vor fünf Jahren war plötzlich die Braunschuppige Sandbiene (Andrena curvungula) an unseren Wiesen-Glockenblumen. Sie ist in Süddeutschland an nur vier Orten bekannt, unter anderem bei Dachau und Landshut. Ich hatte sie lange gesucht, aber nie gefunden. Nie hätte ich gedacht, dass eine so seltene Rote Liste-Art in meinen Garten kommt. Mittlerweile finde ich relativ viele seltene Arten, nicht nur Bienen. Irgendwann hat ein befruchtetes Weibchen des Veränderlichen Rotwidderchens (Zygaena ephialtes) 25 Eier auf den Kronwicken abgelegt. Daraus sind 21 Raupen geschlüpft und im nächsten Jahr waren 15 Falter da. Seit drei Jahren habe ich einen stabilen Bestand. In der Wiese wachsen auch viele Skabiosen, sodass seit zwei Jahren der Skabiosen-Schwärmer (Hemaris tityus) kommt, ein großer, auffälliger Falter. Es sind zwar immer nur einzelne Individuen, auch bei manchen der 70 bis 80 Wildbienen-Arten, die ich jedes Jahr im Garten beobachte. Aber wenn ich diese dann auch in der freien Umgebung finde, denke ich mir, dass sie vielleicht meinen Garten als Durchgangsstation zur Vermehrung genutzt haben, danach weitergewandert sind und ein neues Biotop gefunden haben. Das freut mich dann sehr.
Bevor sie ein Nest gründen, können sie sehr weit fliegen. Teilweise hunderte Kilometer, wenn sie der Wind verdriftet. Das wissen wir von Wildbienen-Arten, die sich momentan ausbreiten, zum Beispiel der Gelbbindigen Furchenbiene (Halictus scabiosae). Bis vor zwanzig Jahren war sie in Deutschland nur aus Wärmeinseln wie dem Oberrheingraben bekannt. 2008 ist sie das erste Mal in München aufgetaucht und mittlerweile flächendeckend in jedem Quadranten der Stadt nachzuweisen. Ein anderes Beispiel ist die Efeu-Seidenbiene (Colletes hederae), die es bis vor zehn Jahren nur in Wärmeinseln wie der Bodenseeregion und Würzburg gab. In den letzten fünf Jahren hat sie sich um bis zu 100 Kilometer pro Jahr ausgebreitet und dürfte mittlerweile die häufigste Biene in Deutschland sein.
Die Gemeine Löcherbiene (Heriades truncorum) ist spezialisiert auf Korbblütler. Als Nistplatz nutzt sie Fraßgänge anderer Insekten in Totholz (auch Zaunpfosten) oder hohle Brombeerstengel und nimmt gerne Nisthilfen an.
Sobald die Bienenweibchen ein Nest haben, fliegen sie nicht mehr weit. Im Gegensatz zur Honigbiene, die 10.000 Geschwister hat, die das Nest bewachen, ist das Wildbienen-Weibchen bei den meisten Arten eine Einzelkämpferin. Je weiter sie sich vom Nest entfernt, um Proviant für die Brut zu holen, desto größer ist das Risiko, dass in der Zwischenzeit Parasiten oder Nesträuber einfallen.
Nach dem Volksbegehren gab es viel gut gemeinten Aktionismus. Viele Kommunen und Privatleute haben Blühmischungen ausgesät, die zwar schön bunt aussehen, für unsere heimischen Insekten aber nichts bringen. Die meisten Mischungen sind allein auf die Bedürfnisse der Honigbiene abgestimmt. Schmetterlinge zum Beispiel finden dort zwar als ausgewachsene Tiere Nahrung, Raupenfutterpflanzen sind aber keine beigemengt. Die Ansprüche von Wildbienen, Wanzen oder Käfern sind oft gar nicht berücksichtigt. Hier sind einheimische Pflanzen entscheidend.
Etwa sechs Prozent der Fläche des öffentlichen Grüns in Deutschland hätte Potenzial für mehr Artenvielfalt. Das sind Rasenflächen, die nur kurzgeschoren und gemulcht werden, oder Parkecken, die weder Spiel- noch Liegewiese sind. Sie könnten genauso gut Blumenwiese sein. Bei uns in Landsberg probieren wir momentan aus, auf städtischem Grün Blühflächen anzulegen. Natürlich haben manche Anwohner auch Bedenken, dass Gebiete entstehen könnten, die keiner mehr betreten darf. Tatsächlich sind bei uns ganz im Gegenteil das Blumenpflücken und die Samenentnahme erwünscht. Schilder sollen erläutern, was zu welcher Zeit blüht. Kindergärten und Altenheime sind davon begeistert.
Auf unseren mageren Böden, auch im Brucker Raum, bringt es schon viel, Straßenrandstreifen seltener zu mähen. Werden die beiden Seiten zudem um drei, vier Wochen versetzt gemäht, verlieren die Insekten nicht ihre ganze Nahrungsgrundlage. Das kostet weder mehr Geld noch mehr Personal. Es braucht lediglich ein bisschen Planung und guten Willen.
Sieht nicht nur schön aus: Naturnahe Blühstreifen bringen Leben auf Gemeindeflächen und in den eigenen Garten.
Ja, aber es bringt tatsächlich etwas. Wenn ich zum Beispiel zum Biologikum in Martinsried fahre, erkenne ich genau, wo München aufhört und Planegg anfängt. Die Münchner mähen sehr häufig und mulchen, die Planegger mähen ganz selten. Das eine ist eine grüne Wüste. Jenseits der Grenze blüht es und es sind viele Insekten da. Bei diesen mageren Böden im Münchner Raum wirkt sich das deutlich aus.
Ein weiteres Beispiel ist die große Straße, an der das Botanische Institut liegt: Da gibt es einen ganz kleinen Randstreifen, ungefähr einen Meter auf einen Meter, in dem sich im Frühjahr ungefähr 100 Nester der Aschgrauen Sandbiene (Andrena cineraria) befinden. Ihre Nahrung holen sich die Bienen während ihrer kurzen Lebensdauer von den Blüten der umliegenden Bäume. Wildbienen mit Nest fliegen ja nicht weit. Bei kleineren Arten, die manchmal nur etwa fünf Millimeter groß sind, sprechen wir hier von Strecken zwischen 100 und 250 Metern. Für diese Arten ist so ein Randstreifen durchaus wichtig – wenn schon nicht als Nahrungs- oder Nisthabitat, dann als Wanderweg.
Ich sehe, dass die Imker ihre Existenzberechtigung haben, und verstehe, dass sie gerne auf reichblühenden Flächen Stöcke aufstellen würden. Und wir haben eben leider in der freien Landschaft immer weniger blühende Flächen, die sich nun die blütenbesuchenden Wildtiere und das „Haustier“ Honigbiene teilen müssen. In Naturschutzgebieten und artenreichen Flächen sehe ich das kritisch, vor allem, wenn es sehr viele Honigbienen auf sehr kleiner Fläche sind. Ein einziger Honigbienen-Stock hat ja zehntausende Individuen, da hätten bei kommerzieller Imkerei die Wildbienen das Nachsehen. Man kann den Honigbienen ja nicht vorschreiben, wohin sie fliegen. Wenn sie sich zufälligerweise gerade die wenigen Skabiosen aussuchen und den gesamten Pollen wegsammeln, haben die Skabiosen-Spezialisten Probleme. Dieses Problem entsteht aber nur dadurch, dass wir immer weniger natürliche, artenreiche blühende Flächen – Extensivgrünland – wie z.B. Blumenwiesen haben, und dem gegenüber immer mehr Intensivgrünland. Es gibt zurzeit ungefähr 1,2 Millionen Imker in Bayern. In den 60er Jahren waren es jedoch sogar um die 2 Millionen. Damals gab es aber deutlich mehr Blühflächen, sodass es keine Konkurrenz gab, da hat überall genügend für Honigbienen und Wildbienen geblüht. Das jetzige Problem ist menschengemacht, da außerhalb der Schutzgebiete einfach zu wenig blüht.
Und bei uns als Verbrauchern, die wir mit unserem Einkaufsverhalten bewirken, dass die Politik wieder mehr hinhört. Da sind wir alle gefragt: Uns müssen Lebensmittel wieder etwas wert sein. Deshalb kaufe ich beispielsweise Heumilch und Heumilchkäse. Da werden die Kühe nicht mit Silage, sondern mit Heumahd gefüttert. Und was Heu ist, war mal eine blühende Wiese – damit kann ich die Insekten noch ein bisschen mehr fördern.
Dr. Andreas Fleischmann
Der Biologe Dr. Andreas Fleischmann ist Kurator an der Botanischen Staatssammlung München. Hier erforscht er carnivore Pflanzen und Pflanze-Insekt-Interaktionen. Daneben widmet er sich den Wildbienen des Botanischen Gartens sowie Flora und Fauna der Lechheiden. In seinen Vorträgen für Kommunen und Privatleute vermittelt er, wie man auch auf kleinem Raum die Insektenvielfalt fördern kann.