Riedteufel (Minois dryas), auch bekannt als Blaukernauge oder Blauäugiger Waldportier. Foto: E. Tramp
Riedteufel (Minois dryas), auch bekannt als Blaukernauge oder Blauäugiger Waldportier. Foto: E. Tramp

Sonnentau und Riedteufel – Im Moos ist was los

Johanna Trischberger

Seit über 30 Jahren sind wir im Fußbergmoos bei Überacker aktiv und pflegen wertvolle Biotope, die im Landkreis einzigartig sind. Johanna Trischberger, die mehrere Jahre im Vorstand der Kreisgruppe aktiv war, hat sich auf eine Spurensuche begeben, um herauszufinden, was das Gebiet auszeichnet und weshalb Haupt- und Ehrenamtliche hier so viel Zeit und Energie investieren.

Langsam zieht der dichte Nebel ab, erste Sonnenstrahlen tauchen die Landschaft in ein warmes Licht. Der Hausrotschwanz girlt schon seit Stunden, dann setzt das Flöten des Pirols und das Knätschen des Grauspechts ein. Auf einer Weide liegen Heckrinder gemächlich wiederkäuend im Gras. Der  Sonnentau öffnet seine Blätter, ein paar Wiesenknopf-Ameisenbläulinge wärmen sich mit ausgebreiteten Flügeln im Licht des Morgens. Ein neuer Herbsttag im Fußbergmoos beginnt.

 

Plötzlich tauchen in dieser Idylle Menschen auf. An einer frisch gemähten Wiese machen sie halt. Ein paar von ihnen verschwinden im Unterholz. Was wollen diese Leute hier?

Es sind ehrenamtliche Biotoppfleger des LBV, die sich vor allem vom Spätsommer bis in den Herbst wöchentlich im Fußbergmoos treffen. Dort rechen sie das Heu von Hand zusammen und ziehen es auf einer Plane von der Wiese. Am Waldsaum zupfen sie das Drüsige Springkraut aus, um es an der Weiterverbreitung zu hindern. Die Fläche ist eine ehemalige Streuwiese, die dem LBV gehört. Gerald Fuchs, bis 2014 Vorsitzender der Kreisgruppe und hauptverantwortlich für die Biotoppflege, hat sie vor einigen Tagen zum ersten und einzigen Mal in diesem Jahr mit dem Balkenmäher gemäht. Die Mahd und das Abtragen des Mähguts halten den Boden mager. Deshalb können hier spezialisierte Pflanzenarten wie die Prachtnelke wachsen. Sie gedeiht nur dort, wo andere, nährstoffliebende oder starkwüchsige Arten sie nicht verdrängen.

Ich freue mich, wenn alle „wichtigen“

Arten alljährlich wieder kommen, gedeihen

oder häufiger werden, wenn neue Arten

auftauchen, die individuelle Pflege der

Grundstücke positive Ergebnisse zeigt, neue

Grundstücke hinzukommen, damit ich mir

wieder Gedanken machen kann

(und darf). Auf den Nenner gebracht:

Wenn es weitergeht!

Gerald Fuchs, Kreisgruppen-Vorsitzender 2008–2014,

hauptverantwortlich für die Biotoppflege


Kreuzotter, sehr stark gefährdet und sehr selten. Foto: R. Sturm, LBV Bildarchiv
Kreuzotter, sehr stark gefährdet und sehr selten. Foto: R. Sturm, LBV Bildarchiv
Der extrem seltene Riedteufel kommt im Fußbergmoos vor. Foto: Dr. E. Pfeuffer, LBV Bildarchiv
Der extrem seltene Riedteufel kommt im Fußbergmoos vor. Foto: Dr. E. Pfeuffer, LBV Bildarchiv
Die Bekassine schaut bislang nur auf dem jährlichen Zug vorbei. Foto: R. Rössner, LBV Bildarchiv
Die Bekassine schaut bislang nur auf dem jährlichen Zug vorbei. Foto: R. Rössner, LBV Bildarchiv

Streuwiesen sind eine spezielle Form der Kulturlandschaft, die der Mensch schon vor Jahrhunderten nutzte. Im Herbst diente das harte, aber saugfähige Riedgras als Einstreu für die Ställe. Durch die spät im Jahr stattfindende Mahd wurden die vernässten Flächen nicht von Weiden, Brombeeren oder Faulbäumen überwachsen, dort vorkommende Pflanzenarten hingegen konnten aussamen und sich fortpflanzen. Als diese Form der Moorbewirtschaftung ab Mitte des 20. Jahrhunderts aufgegeben wurde, verbuschten viele Gebiete und fielen durch das Einziehen von Entwässerungsgräben trocken. Auch das Fußbergmoos ereilte dieses Schicksal. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zudem in über 800 Parzellen aufgeteilt. Der Boden wurde zum Teil mit Bauschutt verfüllt, Gebüsche wurden gerodet und Hütten gebaut. In den 1970er-Jahren griff die Untere Naturschutzbehörde ein, ließ etliche der Bauten abreißen und stellte das Kerngebiet unter Schutz. Tier- und Pflanzenarten wie der Große Brachvogel waren aber damals schon selten oder verschwunden. Das Fußbergmoos versank in einen Dornröschenschlaf.

1985 kaufte unsere zwei Jahre zuvor gegründete LBV-Kreisgruppe auf Anregung des Naturschutzwächters Günter Setzke und unter Leitung des Vorsitzenden Claus Nicolaus das erste Grundstück im Fußbergmoos. Ziel

war die Wiederherstellung der ursprünglichen Artenvielfalt durch Pflege und Erhalt wertvoller Pfeifengraswiesen, Hochstaudenflure und Seggenbestände, Rücknahme der Verbuschung sowie Rückvernässung soweit möglich und tragbar. Unter den Ortsansässigen, darunter vielfach

Landwirte und Jäger, die eine Einmischung „Fremder“ nicht gern sahen, gab es zum Teil erheblichen Widerstand. Über die Jahre sind die Proteste abgeflaut, mittlerweile gibt es mehr Dialog und Miteinander – nicht zuletzt deshalb, weil die Erfolge unserer Pflegearbeit sichtbar und die Jagd im Gebiet dadurch nicht beeinträchtigt wurden. Mit enormem Einsatz vieler Ehrenamtlicher wurden Flächen entbuscht und ab Mitte der 1990er-Jahre auch gerodet.

Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem

wir zurückblicken und resümieren können,

um zu sehen, was sich rentiert hat.

Wir haben mehr Know-how, mehr Erfahrung

und sind professioneller geworden.

Außerdem können wir mittlerweile über

längere Zeiträume planen. Heute sind Dinge

möglich, die wir vor fünf Jahren personell

oder finanziell nicht machen konnten.

Rita Verma, Kreisgruppen-Vorsitzende von 2015–2020


Die sogenannte „LBV-Mafia“ mit Simon Galles, Werner Nowak, Friedl Piller, Karl Rössle und Ludwig Wörl – Ehrenamtliche, die Naturschutz mit großer Vehemenz und Tatendrang betrieben – schuftete unzählige Stunden im Moos. Aber sie war nicht allein: Auch Schulklassen schwangen den Rechen, Pioniere der Bundeswehr und der ASV Biburg halfen mit. Noch heute unterstützen Schulgruppen, ganze Firmenbelegschaften oder der Sprint e.V. die Pflegeeinsätze. Von Beginn an war die Untere Naturschutzbehörde ein wichtiger Partner, ebenso Sponsoren und Unterstützer wie die Brauerei Maisach, die Familie Wagner aus Gernlinden ‒ unser offizieller „Partner im Naturschutz“ ‒ sowie unzählige Privatpersonen.


In den 1980er- und 1990er-Jahren pachtete oder kaufte die Kreisgruppe immer mehr und größere Flächen. Um der Pflege Herr zu werden, war Ende 2002 klar: Wir müssen Schwerpunkte setzen. So konzentriert sich die Kreisgruppe seitdem auf das Kerngebiet, in dem alle naturschutzfachlich

hochwertigen Flächen liegen und wo seit 2002 auch unsere Heckrinder zum Einsatz kommen. Ursprünglich initiiert von Wolfgang Kuhn, ist die kleine Herde zu einem echten Sympathieträger geworden. Anfangs kümmerten sich unter anderem der damalige Vorsitzende Günter Zeitler und das LBV-Urgestein Karl Rössle um die Herde, später kamen viele weitere „Rinderdienstler“ hinzu. Und es gibt noch einen Aktiven im Moos: den Biber. Mit seinen Dämmen staute er kleine Tümpel an, die in kürzester Zeit zum Amphibienparadies wurden.

Der Biber hilft ganz entscheidend bei der Renaturierung einzelner Flächen mit. Foto: W. Lorenz, LBV Bildarchiv


Doch warum sind das Fußbergmoos im Landkreis Fürstenfeldbruck und das zu Dachau gehörende angrenzende Palsweiser Moos eigentlich so schützenswert?

 

Beide Moose sind für den Klimaschutz wichtig. Als sogenannte CO2-Senken speichern sie Kohlendioxid in ihrem Torfkörper, das sonst als Treibhausgas die Erwärmung der Erdoberfläche vorantreiben würde. Die Reste des einst riesigen Dachauer Mooses sind eines der wenigen stauenden Niedermoore in Deutschland. Sie liegen an einer Hügelkette, die vor Millionen von Jahren entstand und auf der heute der Freisinger Dom, das Dachauer Schloss und Überacker liegen. Am Fuß dieser Erhebungen wurde das aus den Alpen durch die Münchner Schotterebene abfließende Wasser nach oben gedrückt.

Abgestorbene Pflanzen zersetzten sich auf den feuchten Flächen unter Ausschluss von Sauerstoff und es bildete sich ein Moor, das an wenigen Stellen nach wie vor eine Torfmächtigkeit von bis zu vier Metern hat und in den vernässten Bereichen extrem langsam wächst.

Wir haben im Fußbergmoos viele unvergessliche, unglaublich tolle Pflegeeinsätze mit den Ehrenamtlichen gehabt.

Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Auch bei Regen, Schnee und Kälte haben sie uns nie im Stich gelassen! Nochmals DANKE an alle, die mit dabei waren. Wir wussten, wofür wir es tun!

Sabine Pfeiffer, Geschäftsstellenleiterin 1988–2003

Noch heute finden sich im Fußbergmoos vereinzelte moorspezifische Lebensräume, die zu schützen es sich lohnt. Denn auf den Pfeifengraswiesen und im Erlenbruchwald gibt es Tier- und Pflanzenarten, die mittlerweile so selten sind, dass sie auf der Roten Liste stehen. Der

Baumpieper zählt dazu oder der Weberbock, ein bis zu drei Zentimeter langer schwarzer Käfer, dessen Larven in Wurzeln und Baumstümpfen von Pappeln und Weiden leben. Im Landkreis ist er nur noch im Fußbergmoos zu beobachten. Der Baldrian-Scheckenfalter ist, wie sein Name schon sagt, auf den Baldrian angewiesen. Die Tagfalterart gilt als „vom Aussterben bedroht“ und hat im Fußbergmoos eines ihrer letzten Vorkommen im tertiären Hügelland. Auch das Sumpf-Herzblatt kommt im Landkreis nur noch auf einer einzigen Fläche außerhalb des Mooses vor.

Die Blütenblätter des Sumpf-Herzblatts bündeln Sonnenlicht. Insekten wärmen sich hier an kälteren Tagen gerne auf. 

Foto: E. Tramp


Schon in den 1990er-Jahren entwickelte Jochen Heber für die Kreisgruppe einen Pflegeplan, der die Ziele unserer Arbeit festhielt und notwendige Maßnahmen beschrieb. 2002 wurde er von Andreas Bautsch und Christian Köbele (von 2004‒2009 verantwortlich für die Biotoppflege und noch heute in der Kreisgruppe aktiv) angepasst, 2015 erarbeitete Gerald Fuchs basierend auf neuen Kartierungen ein aktualisiertes Pflegekonzept. Denn es zeigte sich, dass auch Naturschutz zum Teil Learning by Doing ist: So ging man anfangs davon aus, dass ein einfacher Rückschnitt der Faulbäume bis auf den Boden genügt, um diese starkwüchsige Pflanze zurückzudrängen. Doch musste man im Laufe der Jahre feststellen, dass sie dadurch noch stärker und größer austrieb. Hier hilft nur eine arbeitsaufwändige Rodung von Hand.

Jedes Mal, wenn ich im Fußbergmoos bei den Rindern bin, empfinde ich eine besondere Ruhe und Entspannung.

Ich hänge sehr an den Tieren, sie haben eine starke Ausstrahlung. Hier bei ihnen kann ich meine Seele baumeln lassen.

Günter Zeitler, Kreisgruppen-Vorsitzender 2000–2008

Als eine der Zielarten gilt nach wie vor die Kreuzotter. Noch vor etwa fünfzig Jahren in großer Zahl im Moos vorhanden, wurde sie vor allem vom Menschen stark dezimiert. Sie benötigt kühle Lebensräume und lebt auch auf intakten Moorflächen. Zur weiteren Zielart wurde neben der gefährdeten Bekassine der Riedteufel (oder Blaukernauge) erklärt, ein stark gefährdeter Augenfalter, der sowohl feuchte als auch trockene magere Flächen bewohnt. Er bevorzugt als Nektarpflanzen violette Blüten wie Flockenblumen, Skabiosen und Blutweiderich.


Fußbergmoos und Palsweiser Moos sind Landschaftsschutzgebiete. Hier gilt ein Verschlechterungsverbot; Baumaßnahmen sind, wenn überhaupt, nur nach einer aufwändigen Verträglichkeitsprüfung möglich. Obwohl beide Gebiete die Wertigkeit eines Naturschutzgebietes haben und auch für eine Meldung im Rahmen des europaweiten Natura 2000-Schutzgebietsnetzes geeignet gewesen wären, sind sie bislang nicht strenger geschützt. Das liegt unter anderem an der Vielzahl von Privateigentümern, denn Schutzgebiete werden bevorzugt auf Flächen ausgewiesen, die sich in öffentlicher Hand befinden. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Bund Naturschutz (Kreisgruppen Dachau und Fürstenfeldbruck) und der Gemeinde Bergkirchen, die seit 2015 vom Bayerischen Naturschutzfonds und dem Klimaprogramm Bayern „KLIP 2020“ gefördert wird, konnten wir seit 2017 im Kernbereich des Fußbergmooses weitere Flächen kaufen bzw. pachten. 

Pfeifengraswiesen bieten Riedteufel und anderen seltenen Arten im Fußbergmoos eine Heimat.

Foto: Ch. Köbele


Wir sind also auf einem sehr guten Weg, die in den 1980-ern gesetzten Ziele zu erreichen: Große Bereiche des Fußbergmooses sind über die letzten dreißig Jahre aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, nicht zuletzt, weil so viele fleißige Ehrenamtliche ‒ von denen hier nur einige namentlich erwähnt werden konnten ‒ sowie unsere hauptamtlichen Mitarbeiter in der Geschäftsstelle ihre Zeit, Arbeitskraft und Begeisterung eingebracht haben. Wir sind zuversichtlich, dass Arten wie die Bekassine bald wieder hier brüten und Kreuzotter und Riedteufel sich weiter vermehren.

Nach den Pflegeeinsätzen im Naturschutzgebiet Ampermoos 1984 waren die Mäharbeiten, der Kauf und die Anpachtung von Grundstücken im Fußbergmoos eine echte Herausforderung für die vielen Ehrenamtlichen. Wir waren alle stolz. Die Erlebnisse dieser befriedigenden Jahre begleiten mich in Gedanken nach wie vor.

Claus Nicolaus, Gründer und Kreisgruppen-Vorsitzender 1983–2000

Ohne sie ginge es nicht: Ehrenamtliche investieren jedes Jahr unzählige Stunden in die Pflege der Flächen und die Betreuung unserer Heckrinder-Herde. Foto: S. Rudolph
Ohne sie ginge es nicht: Ehrenamtliche investieren jedes Jahr unzählige Stunden in die Pflege der Flächen und die Betreuung unserer Heckrinder-Herde. Foto: S. Rudolph

Johanna Trischberger

war von 20152019 als Beisitzerin im Vorstand der Kreisgruppe aktiv, bis sie in einen anderen Landkreis umgezogen ist. Sie engagierte sich unter anderem in der Öffentlichkeitsarbeit und der Umweltbildung, um mehr Menschen für einen bewussten Umgang mit den Naturschätzen zu begeistern.